Schrödingers Katze dürfte das am meisten missverstandene Gleichnis in der Welt der Physik überhaupt sein.
Kaum ein Sachbuch und kaum ein Physiker, der es zu erklären versucht, erklärt es wirklich richtig. Schrödinger selbst fiel das auch auf, und so klagte er einmal:
- Ich mag sie nicht, und es tut mir leid, dass ich jemals etwas mit ihr
zu tun hatte.
Warum aber hinkt das Beispiel denn nun? Und warum gibt es den Überlagerungszustand — wenn man ihn wörtlich nimmt — nicht wirklich?
Betrachten wir dazu ein Photon, dessen Polarisierung man messen möchte.
Solche Messung kann nur erfolgen mit Hilfe einer Messapparatur, die ausschließlich Fragen stellen kann, die das Photon mit JA oder NEIN beantwortet.
Wird Polarisierung gemessen, so bedeutet die Messung stets nur
- das Auswählen einer Richtung R (durch Justierung des Messgeräts M)
- und dann das Stellen der Frage M(R) = Liebes Photon: Bist du in Richtung R polarisiert?
Wenn die Messapparatur das Photon durchlässt (also in Richtung R polarisiert), interpretiert man das als Antwort JA, ansonsten aber als Antwort NEIN.
Was aber bedeutet so ein JA oder NEIN?
-
Das JA bedeutet: Nach der Messung ist das Photon in Richtung R polarisiert. Ob, und gegebenenfalls wie, das Photon vor der Messung polarisiert war wissen wir dennoch nicht — mit einer kleinen Ausnahme allerdings: Wir können dann sicher sein, dass es vorher nicht senkrecht zu R polarisiert war.
- Das NEIN bedeutet: Ob, und wenn ja in welcher Richtung, das Photon vor der Messung polarisiert war, wissen wir nicht — die Antwort sagt uns nur, dass es nicht in Richtung R polarisiert gewesen sein kann.
Ganz gleich also, welche der beiden Antworten man als Physiker erhält: Für den Polarisationszustand des Photons vor der Messung gibt es weiter ebenso viele Alternativen wie es reelle Zahlen zwischen 0 und 1 gibt: unendlich viele.
Und genau deswegen versteht man unter dem sog. Überlagerungszustand, in dem das Photon sich vor der Messung befindet, eben NICHT zwei Zustände, die gleichzeitig vorliegen.
Wirklich gemeint mit dem Begriff ist einfach nur die Tatsache, dass das Messergebnis uns so gut wie nichts über den Zustand des Photons unmittelbar vor der Messung sagen kann.
Dass dem so ist, mag beim Photon erstaunen, da wir im Fall der Katze ja nicht erwarten würden, dass erst unser Hineinsehen in die Box das Tier in den Zustand versetzt, in dem wir es dann vorfinden.
Man kann es auch so ausdrücken (und genau das wollte Schrödinger mit seinem Gleichnis klar machen):
Wo man über Quantenzustand spricht, wird tatsächlich immer nur über unser Wissen über jenen Quantenzustand gesprochen. Nur Messergebnisse können es aktualisieren.