Was ist von einer philosophischen Bewegung zu halten, die den Aussagen anerkannter Physik widerspricht?


 
Unter dem Banner » Neuer Realismus « hat sich eine philosophische Bewegung etabliert, die sich gegen den postmodernen Konstruktivismus und imperialistischen Naturalismus gleichermaßen wendet (vgl. Die Rückkehr des Absoluten).

Hauptgegner ist der postmoderne Konstruktivismus, der — wie einige Philosophen meinen — in der heutigen Kultur- und Wissenschaftslandschaft in verschiedenen Spielarten sein Unwesen treibe.

Der Erkenntnistheoretiker Markus Gabriel von der Universität Bonn gehört zu den Vätern dieser Bewegung. Anlässlich ihres fünfjährigen Bestehens hat er 2016 in der NZZ eine Bilanz gezogen. Darin beschreibt er die wesentlichen Stoßrichtungen seines philosophichen Ansatzes und verkündet, es sei unsinnig, anzunehmen, dass wir das Wirkliche nicht so erkennen können, wie es an sich ist,

Dem aber muss ganz entschieden widersprochen werden.

Machen wir uns das anhand von nur zwei Beispielen (beides Erkenntnisse der Quantenphysik) ganz klar:

  • Was wir als unterschiedliche Farben wahrnehmen, ist genau genommen elektromagnetische Strahlung unterschiedlicher Wellenlänge. Erst unser Gehirn setzt unterschiedliche Wellenlänge von Licht um in das, was wir unterschiedliche Farben nennen.

  • Mit Materie ist es ähnlich: Wie die Quantenphysik uns beweist, ist jedes Stück Materie nichts weiter als Summe von Wellen im Feld der 4 physikalischen Grundkräfte.

    Eben deswegen schrieb Hans-Peter Dürr (Zitat): Ich habe als Physiker 50 Jahre lang — mein ganzes Forscherleben — damit verbracht zu fragen, was eigentlich hinter der Materie steckt. Des Endergebnis ist ganz einfach: Es gibt keine Materie!

Der von Markus Gabriel viel zu unüberlegt kritisierte Steven Hawking schrieb (noch viel allgemeiner, Zitat):

    Es hat keinen Zweck, sich auf die Wirklichkeit zu berufen, da wir kein modellunabhängiges Konzept der Wirklichkeit besitzen.

Wir sehen also:

Physiker wissen ganz genau, dass wir die Wirklichkeit nicht so kennen, wie sie wirklich ist. Wir können nur — über Sinnesorgane und Messgeräte — Impulse der Wirklichkeit empfangen, müssen und werden sie dann aber im Sinne geeigneter gedanklicher Modelle interpretieren. Wie die Wirklichkeit tatsächlich beschaffen ist, weiß niemand zu sagen.

Gabriel ignoriert solche Erkenntnis. Und das, obgleich sie mehrfach erst durch Philosophen erkannt und dann durch die moderne Physik klar bestätigt wurde.

Nochmals also: Naturwissenschaft zeigt: Neuer Realismus ist ein Irrweg.

Warum will Markus Gabriel das selbst als Inhaber eines Lehrstuhls für Erkenntnis­theorie nicht wahrhaben? Warum verschließt er sich allge­mein anerkannten Erkenntnissen moderner Physik?

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Comments

  • Gebhard Greiter  On April 1, 2020 at 9:40 am

     
    In ihrem Buch Das hässliche Universum (2018) schreibt die theoretische Physikerin Sabine Hossenfelder: “Ich kenne viele Physiker, die den Begriff » Philosophie « als Schimpfwort verwenden, und selbst diejenigen, die Sympathien für philoso­phische Fragestellungen hegen, bezweifeln deren Nützlichkeit.”

    Frägt die Hochschul-Philosophie sich denn überhaupt nicht, wie es zu dieser traurigen Situation kommen konnte? Will man sich heute nur noch möglichst schnell bekannt machen, statt sich Zeit für gründliches, vor allem auch logisches Nachdenken zu nehmen?
     

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